Erinnerung lebendig halten: Jugendliche begegnen Zeitzeugen im Haus am Dom

Am 8. Mai jährte sich der Jahrestag des Weltkriegsendes in Europa zum 80. Mal. Grund genug für den Wahlpflichtkurs „Erinnerungskultur“ 9/10 der Johann-Christian-Senckenberg-Schule aus Runkel mit ihrer Lehrerin Isabelle Faust die eindrucksvolle Gedenkveranstaltung „war ist over - Befreiung!?!“ im Haus am Dom in Frankfurt zu besuchen. Organisiert vom Bistum Limburg, begleitet von Dr. Mark Fachinger, und in Kooperation mit dem Förderverein des Fritz-Bauer-Institutes stand der Tag im Zeichen der lebendigen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit.

Ein besonderer Höhepunkt war das digitale Zeitzeugengespräch mit Dr. Leon Weintraub. Der 99-jährige Holocaust-Überlebende wurde aus Stockholm via Zoom zugeschaltet. Er berichtete eindrucksvoll von seiner Kindheit im Ghetto, der Deportation und dem Überleben in verschiedenen Konzentrationslagern. Die Schülerinnen und Schüler hörten aufmerksam zu und nutzten im Anschluss die Gelegenheit, dem Zeitzeugen Fragen zu stellen. Mit großer Empathie und klugen Überlegungen zeigten sie echtes Interesse und Respekt für seine Lebensgeschichte. Auf die Frage der 9.Klässlerin Sophie, wie er es geschafft habe, wieder positiv auf das Leben danach zu schauen, antwortet Leon Weintraub mit einem einzigen Wort: „Bildung!“
Sie sei es gewesen, die ihm geholfen habe, sein Leben nach der Shoa zu gestalten. Er rief dazu auf, dass alle die gleichen Chancen in ihrer Entwicklung bekommen müssten und man aufeinander achten müsse: „Freundlichkeit füreinander kostet keinen Cent!“
Zugleich warnte Weintraub allerdings: „Im Wohlstand ist man offen, freundlich, hilfsbereit, aber gilt es, den Gürtel enger zu schnallen, ändert sich die Auffassung oft.“ Man sei dann leichter anfällig für rechte Aussagen, denn die gäben dem Fremden die Schuld, so der 99 Jährige.
„Seht den Menschen als Menschen, das ist ein großer Schritt für die Zukunft!“, gab er den Jugendlichen mit auf den Weg.

In der Pause hatten die Lernenden Gelegenheit, mit Thomas Ormond ins Gespräch zu kommen. Ormonds Vater Henry war Nebenkläger im 1. Auschwitzprozess und arbeitet damals eng mit dem Generalstaatsanwalt Fritz Bauer zusammen. Thomas Ormond spricht als sogenannter Zweitzeuge über die Erlebnisse seines Vaters als Jurist und als Überlebender der Shoa.

Später traf die Gruppe auf Rodika Mandel, die unter dem Pseudonym Rodika Rosenbaum schreibt. Mandel ist die Tochter zweier Holocaust-Überlebender und berichtet ebenfalls als Zweitzeugin von der Rettung ihrer Familie sowie den bleibenden Folgen der Erinnerung an das NS-Regime, die bis ins Hier und Jetzt reichen. Die offene und zugewandte 78-jährige freute sich über die interessierten Schülerinnen und Schüler. Aus ihrem Buch „Nur niemals aufgeben!“ vorzulesen, war an diesem Tag allerdings zu ergreifend für Rodika Mandel. Sie bat darum, dass eine Schülerin die bewegende Passage der Befreiung ihrer Mutter Ibi, Ibolya Farkas 1920-2004, vorliest. Die 15-jährige Annika übernahm die Rolle der Leserin und las einfühlsam vor. 
Rodika Mandel zeigte sich gerührt vom Vorlesen und beantwortete geduldig die neugierigen Fragen der Jugendlichen.

Der Tag hinterließ bei allen Teilnehmenden einen bleibenden Eindruck; ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie wichtig es ist, Erinnerungskultur aktiv zu leben, besonders für die kommenden Generationen.
„Geschichte darf nicht vergessen werden, durch solche Begegnungen wird sie lebendig und begreifbar“, resümierte die 15-jährige Viktoria nachdenklich.
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button